Den Monatsspruch, der in unserem Losungsbuch fur den April 2017 steht, finden wir im Lukasevangelium, Kapitel 24, die Verse 5 und 6:
Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden.
Diese Worte sprechen zwei Engel zu den Frauen, die am Ostermorgen ans Grab kommen, um Jesu Leichnam mit kostbaren Ölen und Cremen einzubalsamieren. Jüngerinnen also, die jahrelang mit Jesus gezogen sind, gehört haben, was er von Gottes Reich verkündet hat, und erlebt haben, wie er mit den Menschen umgegangen ist, wie er sich ihnen zugewandt hat – ganz besonders den kranken und behinderten – denen, die in körperlicher, seelischer oder geistlicher Not waren. Sie hatten auch gehört, dass er sein Sterben angekündigt und gesagt hat, dass er nicht tot bleiben, sondern auferstehen wird.
Aber jetzt, so kurz nach seinem Tod haben sie all das vergessen. Jetzt fühlen die Frauen nur den Schmerz des Verlustes und die tiefe Trauer um den lieben Menschen. – Und sie tun das, was sich zu tun gehört und was man gerne tut für einen lieben Verstorbenen: sie sorgen für seine würdige Bestattung. Im Orient gehört dazu das Einbalsamieren der Leiche mit kostbaren Ölen und Salben.
Diesen Liebesdienst wollen die Frauen in der Frühe des dritten Tages leisten. Bevor die Leute kommen, die über Jesus herziehen und sein Andenken in den Schmutz ziehen, wollen die Frauen, die Jesus liebten, an seinem geschundenen Körper dieses Werk der Barmherzigkeit tun.
Tote zu bestatten ist seit alter Zeit und in den allermeisten Religionen ein wichtiger geistlicher Dienst. So auch im Judentum und im Christentum.
Da stehen diese Frauen ratlos am Grab ihres Meisters und müssen erkennen, dass dieses leer ist.
Wo ist der, den sie liebten?
Wo sollen sie hin mit ihrer Liebe und ihrem Wunsch, Gutes zu tun?
Es ist fast so, als ob er ihnen noch ein zweites Mal genommen würde. Diese Verlusterfahrung macht traurig und versetzt sie in Angst und Schrecken.
Wir können ihr Leid nachvollziehen.
Wissen wir doch um das Leiden der Angehörigen, denen ein schrecklicher Tsunami die Lieben genommen hat – und nichts da ist, was sie beerdigen könnten.
Oder denken wir an das Leiden der Mütter und Ehefrauen, deren Männer von Unrechtsregimen oder Terrorkommandos oder im Krieg umgebracht wurden – und die nicht einmal einen Leichnam haben, den sie beisetzen könnten, oder einen Ort für ihre Trauer.
Und denken wir an das Leid der Eltern und Geschwister der Euthanasieopfer der Nazis, die teilweise mit der fadenscheinigen Begründung der Seuchengefahr verbrannt wurden, damit das Unrecht nicht offenbar würde.
Trauergeschichten. Leidensgeschichten. Passionsgeschichten.
Und in eine solche traurige Situation hinein werden die beiden Sätze unseres Monatsspruchs gesprochen:
Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden.
Das ist die Botschaft der Passion Jesu:
An dem Tiefpunkt des Leidens, in der dunklen Tiefe der Trauer, geschieht eine Wende.
Nicht der Tod ist das Ende!
Sondern am Ende wartet das Leben!
Zwei Engel konfrontieren die Frauen mit der Frage: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“ Und als gelte es alle Spekulationen abzuwehren, was passiert sein könnte, fügen sie sofort hinzu: „Er ist nicht hier, er ist auferstanden.“
Spekulationen darüber, was „wirklich“ passiert ist nach der Kreuzigung Jesu, gibt es bis heute. War das Grab voll oder leer? Ist Jesus womöglich am Kreuz gar nicht wirklich gestorben? Wurde sein Leichnam vielleicht einfach gestohlen? Ich glaube: Solche Überlegungen helfen weder mir noch meinem Glauben, meinem Vertrauen auf Gott. Was mir hilft – und mit mir Millionen Christen vor mir, ist das, was die Osterboten den Jüngerinnen sagen: Er ist nicht hier! Der Tod hat nicht das letzte Wort! Denn Gottes Liebe ist stärker als alle Todesmächte!
Was die Jüngerinnen mit rituellen Handlungen würdig zum Abschluss bringen wollen – ihre Hoffnung auf den Retter, den Heiland – ihre tiefe Messiaserwartung, erfährt eine plötzliche Wendung – ja, geradezu eine Bestätigung, denn es ist nicht der Abschluss, nicht das Ende ihrer Hoffnung. Etwas Neues hat begonnen!
Die Worte der Engel sind sicher keine Aufforderung, Tote nicht würdig zu bestatten. Aber wenn wir das in christlicher Hoffnung tun, dann werden wir dabei nicht von der Macht des Todes reden, sondern von der Kraft des Lebens, von der lebendigen Hoffnung, die Ostern ihren Ursprung hat.
Seit Ostern ist die Trauer nicht bodenlos. Sie wird aufgefangen und gehalten von Jesu Zusage: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben.“
Wer sagt, nichts sei so sicher wie der Tod, hat keine Ahnung. Ostern hält dagegen: Nichts ist so sicher wie das Leben! Der Auferstandene macht uns Mut, mit ihm neues Leben zu wagen.
Diesen Sieg des Lebens feiern wir Christenmenschen zu Ostern. - Und jede Woche am ersten Tag, dem Sonntag. Für uns wird jeder Sonntag des Jahres zu einem kleinen Osterfest. Zum Fest des Neubeginns.
Und wenn wir das tun, was die Jüngerinnen am Ostermorgen tun wollten; wenn wir die Erinnerung an unsere Verstorbenen liebevoll gestalten, dann steht auch das für uns unter dem Vorzeichen, dass das Grab nicht die Endstation ist. Denn der Tod hat nicht das letzte Wort! Gottes Liebe ist stärker als alle Todesmächte!
Ich wünsche uns allen eine gesegnete Passionszeit und – wenn es denn soweit ist – ein fröhliches, hoffnungsvolles Osterfest, das uns darin stärkt, „Protestleute gegen den Tod“ zu sein.
Amen.
Diakon Volker Krolzik, Herrnhuter Diakonie